Ausgrabungen im Land des Goldenen Vlies - Erlebnis Archäologie Jahresbericht 2019

Archäologische Ausgrabungen in Georgien

Erlebnis Archäologie am Grakliani Hill

UNESCO Georgien
Nach der Ausgrabung und am Wochenende machen wir zusätzliche Ausflüge. Hier waren wir bei Sonnenuntergang bei einem Kloster überhalb der Stadt Mzcheta.

Georgien ist seit 2018 jährliches Fixprogramm nicht nur für Anita und Klaus, sondern auch für andere Mitglieder unseres Vereins, die dieses faszinierende Land an der Schwelle Europas lieben gelernt haben. Im vergangenen Jahr verbrachten wir zwei zehntägige Grabungskurse am Grakliani Hill, gemeinsam mit Prof. Lichelis Team von Studenten der Uni Tbilisi.

 

Besonderes Augenmerk der großflächigen Grabungen am Graklini Hill liegt in der Zeit vom 11. bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. Die Entdeckung der ältesten Schriftzeichen im gesamten Kaukasusgebiet führten 2014 zu internationaler Bekanntheit des Fundortes, wobei die Datierung noch nicht ganz geklärt ist und derzeit eine Entstehung zwischen dem 11. und 7. Jahrhundert v. Chr. anzunehmen ist. Zumindest ein verheerendes Unglück zerstörte wohl weite Teile der Siedlung in diesem Zeitraum, bis es zum Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. nochmals zu einer Verwüstung durch – so wird vermutet – Truppen Alexanders des Großen kam. Aus dieser Zeit stammen gleich mehrere Befunde, an denen unsere beiden Teams arbeiteten.  

Über den Tempel, in dem sich die Schriftzeichen heute noch immer in situ befinden, berichteten wir bereits in unserem Blog, der auf der Website des Vereins zu finden ist. Interessierte können sich dort ein genaueres Bild machen.

 

In der ersten Kurswoche im Mai 2019 arbeiteten wir in zwei Teams an je einem verstürzten Wohngebäude aus zwei unterschiedlichen Perioden. Das größere Haus entstammt aus der selben Zeit, in der auch die Inschriften angefertigt wurden und liegt nur etwa 15 Meter davon entfernt. Ein Schadfeuer führte zum kompletten Versturz, an dem Anita bereits im Jahr 2018 arbeitete und dabei die verkohlten Reste der Dachbalken (vermutlich eines Flachdaches mit Schilfdeckung) freilegte, was sich als sehr mühsame und nicht ganz einfache Sache herausstellte. Durch die heiße Sonne und den Wind im vorhergehenden Sommer, trocknete die frisch freigelegte Holzkohle unglaublich schnell aus, um sofort zu Staub zu zerfallen. Nichtsdestotzrotz konnte die ungefähre Lage der Balken in der Dachkonstruktion festgestellt werden. Während unserer Abwesenheit arbeiteten die georgischen Studenten am Haus weiter, entfernten den Dachversturz und drangen durch das darunterliegende Versturzmaterial beinahe bis zum Fußboden vor, welcher in der Regel als einfacher Stampflehmboden ausgeführt war.

 

Ausgrabungen für Freiwillige - einfach mitmachen!


Ausgrabung Georgien
Dutzende Gefäße und Wandverputz in situ - der Traum von Archäologen.

Im Mai 2019 setzten wir unsere Arbeit an dieser Stelle fort, und konnten bis zum Ende des Kurses die Reste eines, leider starkt zerstörten Lehmkuppelofens in der Nordwestecke, mehrere dem Dach zugehörende Pfostenlöcher, Wandreste sowie eine komplett erhaltene niedrige Stufe aus Stampflehm, deren Zweck sich noch unserem Verständnis entzieht, an der Nordwand des Gebäudes freilegen – ein durchaus erfreuliches Ergebnis!

 

Das zweite Team forschte indes an einem kleineren Gebäude aus dem 4. Jahrhundert v. Christus. Auch hier arbeiteten wir bereits im Jahr 2018, wobei wir uns damals durch eine etwa einen Meter dicke Versturzschicht wühlen mussten, die vermischtes Material aus vielen Jahrtausenden vor der Entstehung unseres Hauses enthielt, das beim Erdbeben aus höheren Teilen des Hügels nach unten bewegt worden war. Darunter befanden sich unter anderem ein mittelpaläolithisches Steinbeil und frühneolithische Sichelklingen aus Silex und Obsidian. 2019 erreichten wir schließlich den Fußboden des Gebäudes, der mit sehr kompakter Asche bedeckt war, die aus dem sehr gut erhaltenen Lehmofen aus der Nordwestecke stammt.

Jedes Haus hatte mindestens einen dieser Öfen, die nicht nur zum täglichen Zubereiten von Mahlzeiten, sondern auch als Hausaltäre für Rituale, die mit zoroastrischen Feuerkulten in Verbindung gebracht werden. Als besonders schön erhalten stellte sich der Hitzereflektor im Inneren der Brennkammer des Ofens heraus, der aus zerbrochenen Tongefäßen in den noch feuchten Lehm eingedrückt wurde. Eine kleine Sensation war die Entdeckung der noch gut 40 cm hohen Nordwand, die aus Lehm und Flechtwerk hergestellt wurde. Das zur Konstruktion verwendete Holz war noch nicht vergangen und in voller Länge erhalten – das hatte es in Grakliani nur bei einem weiteren Gebäude gegeben. Bemerkenswert war auch die abgerundete Ausführung der Hausecken, was aufgrund der Verwendung von Flechtwerk als Mauerwerk möglich war.

Tiflis Georgien
Ausflug in die Hauptstadt Tiflis.

Unsere Exkursionen an grabungsfreien Tagen des ersten Grabungstermins führten uns in die alte Höhlenstadt von Upliszikhe, nach Gori ins Archäologiemuseum und in die neolithische Siedlung Gudabertka, einen ganzen Tag nach Tiflis ins Nationalmuseum mit einem geführten Stadtrundgang sowie in die Festung Ananuri.

Im Spätsommer 2019 zog es uns dann nochmal nach Grakliani, wo sich seither einiges verändert hatte. Prof. Licheli konnte durch unsere Spenden das Grabungsquartier weiter ausbauen. So wurde ein zweites Stockwerk und eine Außentreppe errichtet, um dem Team ein einigermaßen komfortables Leben vor Ort zu ermöglichen. Der Ausbau führte auch zur Vergößerung des „Wohnzimmers“, in dem wir mehrmals Abends zu Speis und Trank geladen wurden. Ein sehr einprägsamer Abend war jener, als wir eingeladen waren, dem wichtigsten Fest der Georgier, das des heiligen Georg, beizuwohnen. Viel Gesang, Wein und hervorragendes Essen begleiteten uns bis in die späten Stunden.

Georgien von einer anderen Seite erleben!

Skelett ausgraben
Eine der zahlreichen Bestattungen, die wir freilegen konnten.

Doch auch bei den Ausgrabungen am Grakliani Hill hatte sich viel verändert. Die große Neugierde von Prof. Licheli führte zur Öffnung mehrerer Suchschnitte am weiter westlich liegenden Abhang, wobei ein ausgedehntes Gräberfeld entdeckt wurde. Der Abhang wurde im Zuge des Autobahnbaus künstlich steiler gemacht, wobei es damals sicherlich zur Zerstörung unzähliger Bestattungen kam, bis Prof. Licheli die Notgrabungen 2008 begann. Erosion führte dazu, dass auch am Fuß des Hügels, auf der anderen Seite der Autobahntrasse aus dem Hang menschliche Knochen zutage traten. Während unserer Anwesenheit halfen wir beim Freilegen und der Dokumentation von sieben Bestattungen aus der Zeit von 1200 – 400 v. Chr. Darunter waren neben einfachen Gräbern mit lediglich Tongefäßen als Beigaben auch einige reich ausgestattete Personen mit dutzenden Glasperlen, Pfeilspitzen, Armreifen und sogar das Grab eines hochrangigen persischen Reiters mit einem ganzen Set aus Silber- und Bronzeschmuck, das allerdings schon fertig ausgegraben war, als wir am ersten Tag ankamen. Der Anblick der Bestattung mit Pferdeskelett war jedenfalls sehr eindrucksvoll.

Ausgrabung Freiwillige
Ein sensationeller Befund, dessen Auswertung wohl noch Wogen schlagen wird. Wir sind gespannt aufs nächste Jahr!

Gearbeitet wurde in drei Teams – eines am oberen Gräberfeld, eines am unteren und eines in der Siedlung, wo wir schon früher gearbeitetet hatten. Doch diesmal sollte uns etwas ganz Besonderes erwarten. Ein etwa 8 x 8 Meter großes Haus aus dem 5./4. Jhdt. v. Chr. wurde freigelegt, das in sagenhaft gutem Zustand erhalten war. Aufgehendes Mauerwerk bis 50 cm Höhe, zwei Öfen, eine Plattform mit Reibsteinen zum Getreidemahlen und ein zum Zeitpunkt unserer Ankunft gerade erst angegrabener Raum, der im Westen an den Hauptraum erweitert wurde. Mit Plastiksäcken vor der Witterung geschützt, wurde uns der Ort zum Weiterarbeiten übergeben und er sollte sich als kleine Senation herausstellen. In diesem Nebenraum fand sich das gesamte beim Schadfeuer zerdrückte Inventar von etwa 20 zum Teil ineinandergestapelten Tongefäßen, die auf einer Art niedrigem Regal, rund um eine Herdstelle aufgeschlichtet waren. Zentral fand sich verkehrt liegend eine dreifüßige Schale aus Speckstein geschnitzt, von der es bisher erst ein Vergleichsstück gibt, welches wiederum Schriftzeichen trägt, die mit der Tempelinschrift übereinstimmen. Es kann sich bei diesem Ort, an dem sich noch dazu zwei Steinmörser, große Eisenteile (eines davon ein maßiver Steckamboß, den wir zum Röntgen ins Krankenhaus nach Kaspi brachten) und unzählige Schaf- oder Ziegenknochen fanden, also um einen Raum handeln, der mit dem Feuerkult in Verbindung gebracht werden könnte. Weitere Ausgrabungen an der Stelle 2020 werden hoffentlich nähere Rückschlüsse ermöglichen.

 

Jeder Besuch in Georgien war bisher auf seine eigene Art und Weise außergewöhnlich – und das in jeglicher Hinsicht. Prof. Licheli empfängt uns von Mal zu Mal liebevoller und sorgt dafür, dass wir während der Grabung mit bestem georgischen Essen versorgt werden – immer frisch von seinem Team zubereitet. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen im Mai 2020!

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