Die Grabung läuft bereits seit 14 Tagen. Wir sind heute den ersten Tag dabei. Der Grabungsleiter begrüßt uns, schnappt sich seinen Laptop und zeigt uns, was sich in den letzten Tagen alles schon getan hat. Alles, was bereits ausgegraben wurde - und somit auch zerstört - ist mit einem digitalen Vermessungsgerät festgehalten und kann, gemeinsam mit digitalen Fotos, am Laptop auf einem Übersichtsplan angesehen werden. Die oberste Regel bei einer archäologischen Ausgrabung, ist ordnungsgemäße, vollständige Dokumentation mittels Vermessung sowie Fotografie und schriftliche Erfassung der Arbeit, denn eines darf nicht vergessen werden: Ist ein Erdbefund einmal ausgegraben, ist er unwiederbringlich zerstört! Erhalten bleiben nur diejenigen Funde, die geborgen wurden sowie die möglichst genaue Dokumentation, um die Information auch für die nächsten Generationen bewahren zu können.
Nachdem wir uns mit der aktuellen Befundsituation auf der Grabung bekannt gemacht haben, geht es ans Werkzeug. Jeder holt sich das, was gerade für die individuelle Arbeit benötigt wird.
Angefangen von Schaufel und Spitzhacke bis hin zum Feinwerkzeug.
Um die getane Arbeit festzuhalten, muss das Vermessungsgerät aufgestellt werden. Jeder kennt sie - kaum jemand weiß, wozu sie eigentlich gut sind. Sie stehen auf der Straße, bei Baustellen oder
manchmal auch einfach auf der Wiese herum - ein Tachymeter bzw ein vollelektronischer Theodolit, dieses Ding auf dem gelben Dreibein. Damit
werden Punkte mit X, Y und Z-Koordinate erfasst, z.B. Einzelfunde oder ganze Oberflächenstrukturen, wie etwa der erhaltene Fußboden eines Gebäudes. Die digital erfassten Werte können dann direkt
auf den Computer übertragen und zur Erstellung eines Grabungsplans verwendet werden.
Natürlich gibt es andere Vermessungsmethoden, doch die lernt man am besten direkt auf einer Ausgrabung selbst kennen.
Ist alles vorbereitet, geht's ab in die Grube. Nein - wir machen nicht einfach Löcher in den Boden, auch wenn es manchmal so wirkt. Grundsätzlich sollte uns Folgendes bewusst sein, bevor wir mit der Arbeit beginnen: Es gibt geologische Prozesse, die Erdschichten bilden und anthropogene Ablagerungen bzw. anthropogen, also vom Menschen verursachte, Störungen in geologischen Schichten. Diese trennen Archäologen klarerweise voneinander. In der Geologie (also im Mutterboden) ist in der Regel nichts zu erwarten, was für Archäologen von Interesse wäre. Die Dinos überlassen wir den Paläontologen. Nur wie unterscheiden wir jetzt diese verschiedenen Erdschichten voneinander?
Das ist meist einfacher, als es gerade erscheint. In der Regel erkennen wir menschlich verursachte Ablagerungen oder Strukturen an ihrem Farbunterschied oder einer unterschiedlichen Zusammensetzung der Bodenstruktur, als es das ansonsten anstehende Erdmaterial aufweist. Und genau das wird dann ausgegraben. Doch auch hier wühlen wir nicht einfach drauf los, sondern versuchen die unterschiedlichen Phasen oder Ablagerungen, die die Menschen in der Vergangenheit hinterlassen haben, voneinander getrennt auszugraben. Auf dem Foto rechter Hand kann man eine länglich-runde Grube sehen. Sie ist das Negativ eines Pflanzgrabens (zur Grundstücksbegrenzung), der sich in seiner Farbe vom Untergrund unterschieden hat. Er war nicht mehr sonderlich tief erhalten, allerdings kennen wir durch das sorgfältige Ausgraben nun seine exakte Form, so wie sie vor fast 2.000 Jahren bewusst angelegt worden war. In diese Pflanzgräben wurden Hecken gesetzt, um Felder zu begrenzen oder unerwünschte Wildtiere fernzuhalten.
Je mehr dieser Erdbefunde freigelegt werden können, umso mehr kann über die Struktur einer Siedlung ausgesagt werden.
Und dann springen uns auch bereits die ersten Funde entgegen. Von großer Häufigkeit sind Tierknochen, meist Speiseabfälle und zerbrochenes Tongeschirr. Je nach Grabung und Größe einer Siedlung können hier kistenweise Fundmaterialien geborgen werden. Rechts ist etwas selteneres zu sehen: Ein frisch freigelegter Metallbeschlag aus Bronze, etwa 2500 Jahre alt.
Oft kommt so viel Keramikmaterial zutage, dass ganze Nachmittage mit dem Reinigen der Funde verbracht werden. Bruchstücke von Tongefäßen können uns sehr viel Informationen geben. So hat jede archäologische Kulturerscheinung über einen gewissen Zeitraum einheitliche Gefäßformen, die oft über Generationen hinweg gefertigt werden - oft mit nur ganz geringen Veränderungen. Diese Eigenheiten nutzen Archäologen, um mittels typologischen Verfahren Datierungen erstellen zu können.
Nachdem wir die neuesten Funde gereinigt haben, geht's wieder zurück in den Grabungsschnitt. Beim Reinigen der Fläche wurde eine Verfärbung im Boden eindeutig sichtbar - außergewöhnlich schwarze Erde, aufgrund großer Mengen an Holzkohle sowie eine verziegelte Grubenwand. Es muss hier einst glühend heiße Kohle in eine Grube eingefüllt worden sein. Später stellte sich heraus, dass es sich um einen eingetieften Brotbackofen handelte.
Bei der Arbeit fällt sehr viel Aushubmaterial an. Wir entnehmen Proben, um etwaige verkohlte Pflanzenreste später in einer Flotieranlage (Das Erdmaterial wird mit Wasser durch immerfeinere Siebe gespült) finden zu können. So kann man Rückschlüsse ziehen, welche pflanzlichen Nahrungsmittel hier verarbeitet wurden.
Ein paar Meter weiter drüben wurde ein fast vollständiges Keramikgefäß freigelegt. Um dieses möglichst gut erhalten in die Restaurationswerkstatt zu bringen, wird es in Gips eingepackt. Dafür werden ganz normale, handelsübliche Gipsfaschen verwendet.
So gelangt das Gefäß ordentlich verpackt in die Werkstatt der Restauratorin. Sie befreit das Fundstück von seiner vorübergehenden Verpackung, festigt die recht weichen Keramikteile und verklebt sie wieder fest miteinander. Wenn Teile fehlen, werden diese mit Gips ergänzt und schon kann's in die Ausstellungsvitrine verfrachtet werden.
Ist die archäologische Schicht vollständig abgegraben, muss die getane Arbeit festgehalten werden. Dazu muss die geschaffene Oberfläche "geputzt" werden. Ziel ist es, soviel Staub und Krümel wie möglich zu entfernen, um ein möglichst wenig verunreinigtes Bild zu schaffen, sodass spätere Aufarbeitung erleichtert wird. In der Regel wird mit Kellen geputzt - der Besen hat auf einer archäologischen Ausgrabung nur selten eine Berechtigung, denn so wird Staub nicht entfernt, sondern in die feinen Erdporen eingearbeitet. Es bleibt ein Grauschleier zurück, durch den nichts mehr erkannt werden kann. Es ist manchmal sinnvoll, einen Staubsauger zu verwenden, wenn das Ergebnis perfekt sein soll - aber auch das klappt nicht bei jedem Untergrund.
Ist sodann alles "sauber", wird ordnungsgemäß dokumentiert. Dazu gehört einerseits das Fotografieren, das Vermessen und natürlich auch die schriftliche Aufzeichnung der aktuellen Situation bzw. des Befundes, an dem man gearbeitet hat.
Bei aller Sorgfalt und Vorsicht an einem normalen Arbeitstag, kann es natürlich auch immer wieder zu kleinen Missgeschicken kommen. Auf dem Bild linkerhand wurde der Setzkasten mit den Buchstaben für die Fototafel fallen gelassen - alles nicht weiter dramatisch, doch es sollte uns zeigen, wie wichtig es ist, mit offenen Augen über eine Ausgrabungsstelle zu gehen. Es sollte vermieden werden, in die Arbeitsflächen der Kollegen hineinzutreten. In Österreich gilt die Vorschrift, Arbeitssicherheitsschuhe zu tragen - dies dient zum Selbstschutz in archäologischen Alltag und man soll's nicht glauben: Dieses Schuhwerk ist ausgesprochen angenehm zu Tragen und hat schon die eine oder andere gequetschte Zehe erspart.
Schreck lass nach - ein Skelett kommt zum Vorschein. Das ist keine Seltenheit auf einer archäologischen Ausgrabung, allerdings eine zeitintensive Freilegungstätigkeit. Abhängig von der Epoche, zu der die Bestattung angelegt wurde, können verschiedenste Beigaben darin enthalten sein. In dem rechts zu sehenden Falle, handelt es sich um eine christliche Bestattung eines jungen Kindes aus dem Mittelalter. Diese enthalten in der Regel keine Beigaben, mit Ausnahme von Kleidungsbestandteilen (Knöpfen, Gürtelschnallen etc.) oder Kreuzen.
Pathologische und anthropologische Untersuchungen können viele Fragen beantworten: Woran verstarb dieses Kind? Ist es in der Gegend, wo es verstorben ist, auch aufgewachsen? Wie waren die Lebensumstände? Hat die Person schwer arbeiten müssen? Doch um diese Fragen beantworten zu können, müssen Spezialisten beauftragt werden und diese Untersuchungen sind mit nicht unerheblichen Kosten verbunden.
So spannend ein Tag auf Grabung sein kann, so ermüdend ist er wohl auch. Viel Sonne wurde getankt, neues gelernt und nun muss am Feierabend neue Energie getankt werden. Morgen
geht's dann weiter. Wo du selbst mitmachen kannst, erfährst du hier:
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