Grabungsbericht 2021 Kahlenberg bei Breitfurt

Die zweite Grabungskampagne am Kahlenberg bei Breitfurt

Archäologie im Saarland

Im Jahr 2014 kam es im Zuge einer Begehung des Kahlenbergs bei Breitfurt (Saar-Pfalz Kreis) zur Auffindung eines behauenen Sandsteinquaders durch A. Stinsky und W. Reinhard. Die beträchtlichen Ausmaße desselben von ca. 100 x 90 cm sowie das Auftreten auffällig vieler römischer Dachziegelfragmente und die Nähe zu einem, im Laser-Geländescan sichtbaren rechteckigen Gebäude, das unmittelbar an einer Mardelle liegt, waren der Anlass zum Beginn eines neuen Forschungsprojektes in Kooperation des Europäischen Kulturparks Bliesbruck-Reinheim und dem österreichischen Verein Erlebnis Archäologie. Die erste Grabungskampagne fand im August 2020 statt.

 

Der Kahlenberg ist ein beliebtes Wander- und Erholungsgebiet und bietet aufgrund seiner Höhe von rund 400 m sehr gute Weitsicht in die umliegende Landschaft. Die ungewöhnliche Lage der Fundstelle, nahe am höchsten Punkt des Kahlenbergs, etwa am halben Weg zwischen den Vici von Reinheim und Schwarzenacker, und die Konstellation der im Geländescan erkennbaren baulichen Strukturen könnten wichtige neue Erkenntnisse zur ländlichen Siedlungsstruktur zu römischer Zeit erbringen. Nach insgesamt 6 Wochen Grabung in den Jahren 2020 und 2021 werden nun die ersten Ergebnisse vorgestellt.

Laserscan des Forschungsareals. Rechts die Umzeichnung der vor der Grabung vermuteten Strukturen. 1 - rot: Der vermutete Umgangstempel in Schnitt1. 2 - blau: rechteckiges Gebäude in Schnitt2. 3 - rosa: Die Mardelle in Schnitt3.
Laserscan des Forschungsareals. Rechts die Umzeichnung der vor der Grabung vermuteten Strukturen. 1 - rot: Der vermutete Umgangstempel in Schnitt1. 2 - blau: rechteckiges Gebäude in Schnitt2. 3 - rosa: Die Mardelle in Schnitt3.
Die Mardelle, Schnitt 3, am Ende der Grabungssaison 2020
Die Mardelle, Schnitt 3, am Ende der Grabungssaison 2020

Aufgrund der Interpretation des Laserscan-Geländemodells wurde vor Grabungsbeginn die Hypothese aufgestellt, dass es sich bei Struktur 1 um einen gallorömischen Umgangstempel handeln könnte, welcher wiederum in baulichem Zusammenhang mit der Mardelle (Struktur 3) als Wasserentnahmestelle vermutet wird. Zur Funktion des rechteckigen Gebäudes (Struktur 2), welches im Laserscan und im Gelände selbst deutlich sichtbar ist, konnten im Vorfeld keine Aussagen getroffen werden. Eine im Jahr 2020 durchgeführte Magnetfeldmessung erbrachte leider keine weiteren Details zu den bisher bekannten Strukturen.

 

2020 wurde an allen drei Strukturen kleine Schnitte angelegt, die jedoch keine Aussagen zu deren Funktion ermöglichten und eigentlich mehr Fragen als Antworten brachten. Durch die Erweiterung und Verbindung der Schnitte in der zweiten Kampagne wurde das Bild ein wenig klarer, wobei der Zweck der Gebäude aufgrund der Abwesenheit von Fundmaterial abseits von Keramik und Nägeln weiterhin unbekannt bleibt.

Bodenstück eines Terra-Sigillata-Gefäßes in einer der Schüttungen in der Mardelle, Schnitt 3
Bodenstück eines Terra-Sigillata-Gefäßes in einer der Schüttungen in der Mardelle, Schnitt 3

Die Mardelle wurde in einem 5 m langen Schnitt bis zur anstehenden Geologie in 1,20 m Tiefe ergraben, wobei sich zwei klare Nutzungsphasen feststellen ließen. Während der älteren Phase (vorerst in das 1. Jhdt. n. Chr. datiert) wurde die Sohle der vermutlich künstlich angelegten Mardelle sorgfältig geebnet, was allerdings aufgrund der anstehenden Kalksteinplatten nur geringer Aufwand war. Blauer Lehm, der ebenfalls natürlich ansteht, dichtete das Becken ab. Nach dem Ende der ältesten nachgewiesenen Nutzungsphase scheint das Becken der natürlichen Erosion ausgesetzt gewesen zu sein, was sich durch eine etwa 15 – 20 cm dicke Schicht aus blauem Lehm äußerte. Darüberliegend fand sich eine Schüttung aus hauptsächlich Kalksteinbrocken, vermengt mit Sandstein und Dachziegelfragmenten, die in das Becken eingebracht wurden, vermutlich um es aufgrund des weichen Untergrundes besser zugänglich zu machen. Offenbar hatte man sich nicht mehr die Mühe gemacht, die Sohle des Beckens vom hineinerodierten Material zu befreien. Funde innerhalb dieser Schicht stammten aus dem 2. und 3. Jhdt. n. Chr. Nach dieser Nutzungsphase bildete sich eine fast 1 m mächtige Erosionsschicht, die die heutige Oberfläche bildet. Spuren jüngerer Nutzung sind nicht vorhanden, abseits von Granatensplittern aus dem 20. Jhdt.

Übersichtsplan des rechteckigen Gebäudes, Schnitt2
Übersichtsplan des rechteckigen Gebäudes, Schnitt2

Struktur 2, das rechteckige Gebäude, sollte in der Kampagne 2021 in seiner gesamten Ausdehnung überputzt werden, um die genaue Ausdehnung der Mauerzüge feststellen zu können, wobei dies aufgrund von Zeitmangel nicht vollständig gelang. Dennoch sind zum Abschluss der Grabung drei Gebäudeecken und gut drei Viertel der Mauerzüge vom oberflächlichen Versturz befreit worden, wodurch die Gesamtausdehnung des Gebäudes von 8,60 x 11,50 m gemessen werden konnte. An der südlichen Mauer wurde bereits im Jahr 2020 der Versturz auf einer Breite von 4 x 2 m vollständig entfernt und zwei unterschiedliche Bauphasen belegt. Dabei war besonders auffallend, dass im Innenraum des Gebäudes nur ein Begehungshorizont vorhanden ist, während außerhalb zur jüngeren Gebäudephase ein neuer Boden in Form von sehr großen Kalksteinplatten und breiten, mit Erde und Ziegelbruch verfüllten Fugen angelegt wurde. Die jüngere Bauphase der Mauer äußerte sich durch die Abwesenheit von Mörtel und der Verwendung von weniger exakt behauenen Kalkmauersteinen. Die Mauer war vom Fußboden aus noch einen dreiviertel Meter hoch erhalten.


2021 wurde im Anschluss an den Schnitt vom Vorjahr der Fußboden im Innenraum bis zur Südwestecke freigelegt, wobei unmittelbar in der Ecke eine sechseckige Sandsteinplatte, vermutlich zur Verwendung als Herdstelle, eingelassen in den Lehmstampfboden, freigelegt wurde.
Besonders auffällig war das Fehlen von Dachziegeln im Gebäudeversturz, mit Ausnahme an der Nordwestecke, was darauf hinweist, dass Material entfernt und möglicherweise in Struktur 1 wiederverwendet wurde.

Schnitt 1 im Jahr 2020
Schnitt 1 im Jahr 2020

Um den Sandsteinquader (Schnitt 1) wurde im Jahr 2020 ein 3 x 3 m großer Schnitt angelegt, innerhalb dessen sich eine flächendeckende Schicht aus Dachziegelbruchstücken fand. Die oberste Lage bestand aus kleinem Ziegelbruch; darunter waren teilweise fast vollständige Ziegel vorhanden. Unterhalb der Dachziegellage befand sich eine Schicht aus Ziegelbruch und Kalksteinen, die teilweise so aneinandergereiht waren, als würden sie die Reste eines sehr unsorgfältig gelegten Fundamentes, vielleicht für eine einfache Holzkonstruktion, bilden. Zwei derartige Strukturen trafen einander am großen Kalksteinblock, der in der – wie sich in der Kampagne 2021 zeigen sollte – jüngeren Nutzungsphase, jener während die Ziegellage eingebracht wurde, wiederverwendet worden war.

 

Durch das Anlegen weiterer Schnitte im Jahr 2021 über eine Gesamtlänge von 25 m in Nord-Süd-Ausdehnung konnten vor allem zwei Erkenntnisse gewonnen werden: Die Ziegelschicht, die als Planierung interpretiert wird, konnte in zwei Himmelsrichtungen in ihrer Ausdehnung auf rund 20 m begrenzt werden. Weiters wurden nördlich vom Sandsteinquader auf einer Fläche von ca. 3 x 3 m behauene Sandsteinquader dokumentiert, die in die Ziegellage eingebettet waren und somit ganz eindeutig stratigraphisch jünger sind, als die Ziegel und auch der Sandsteinquader. Möglicherweise handelt es sich um die Wiederverwendung älterer Bausteine von einem Gebäude das an derselben Stelle stand, wobei die Dachziegel aus Struktur 2 zum Herstellen eines gut drainagierten Fußbodenbelages genutzt und der Sandsteinquader aufgrund seines hohen Gewichtes nicht wegbewegt und an Ort und Stelle in das neue Gebäude einbezogen worden war.


Fundmaterial ist in Form von Gefäßkeramik aus dem 2. und 3. Jhdt. n. Chr. vorhanden. Die Reste einer genagelten Sandale wurden inmitten der Ziegelschüttung freigelegt, was die derzeitige Deutung als Planierung aus wiederverwendetem Baumaterial bekräftigt.

Dachziegellage in Schnitt 8
Dachziegellage in Schnitt 8

Nach der zweiten Grabungskampagne kann zwar keine Aussage zur Funktion der Gebäude getroffen und auch die Errichtung nicht in Zusammenhang mit der Mardelle gebracht werden, jedoch konnte in allen drei Strukturen zumindest zwei Nutzungsphasen belegt werden, die sich über den Zeitraum des 1. bis 3. Jhdt. n. Chr. erstrecken. Ziel der nächstjährigen Kampagne ist das weitere Untersuchen der bisherigen Gebäude sowie die Prospektion der direkten Umgebung, die aufgrund des Vorhandenseins zweier Grabhügelgruppen und eines Einzelgrabhügels wohl auch bereits deutlich früher besiedelt war. Verständlich, denn der Ausblick vom Kahlenberg lädt auch heute noch zum Verweilen ein!

Ganz herzlich danken wir allen 39 freiwilligen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, ohne die das Forschungsprojekt nicht möglich wäre. Durch ihre Beteiligung werden die Personalkosten für die Grabungsleitung sowie die Auswertung der Ergebnisse vollständig finanziert. 

Mit großer Freude blicken wir auf bisher insgesamt 6 außergewöhnliche Grabungswochen mit tollen Menschen, viel Spaß und großartigen Erkenntnissen zurück und freuen uns schon auf die Fortsetzung der Grabung im Jahr 2022!

 

16.11.2021
Klaus Schindl

Auch im Jahr 2022 kann an den Grabungen am Kahlenberg und im Archäologischen Park in Reinheim teilgenommen werden!

Die neuen Termine sind bereits online!

 

Grabung am Kahlenberg 2022
Grabung im Europäischen Kulturpark 2022

Copyright Alle Fotos und Grafiken K. Schindl

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